[English version]

Seit zehn Jahren läuft die Überführung des europäischen Handschriftenerbes in elektronische Ressourcen. Insbesondere die Handschriftenkataloge sind online zu finden: Manuscripta Medievalia etabliert sich in Deutschland als ein zentraler Handschriftenkatalog. Die Handschriftenkataloge wichtiger europäischer Handschriftenbibliotheken wie der Bibliothèque Nationale de France, der British Library oder der Biblioteca Apostolica Vaticana sind online. Regionale Handschriftenverzeichnisse wie der toskanische Zentralkatalog CODEX stehen dem europäischen Integrationsprojekt ENRICH gegenüber. In derselben Zeit hat die Digitalisierung von Handschriften selbst deutlich an Fahrt gewonnen. Welche Konsequenzen hat diese neue Situation für die paläographische und kodikologische Forschung?

Wie einzelne Vorzeigeprojekte demonstrieren, können die dabei entstehenden Daten mit Hilfe digitaler Technologien erfolgreich weiterverarbeitet werden: Programme zum Mustervergleich können Buchstabenmodelle vergleichen und ermöglichen paläographische Analysen. Die Methoden der Archäologie der Handschrift werden durch elektronische Katalogdaten auf ein neues Niveau gehoben, indem umfangreiche kodikologische Daten für statistische Auswertungen zur Verfügung stehen. Digitale Editionen können längst formulierte Ansprüche erfüllen, indem sie die handschriftlichen Grundlagen ihrer Texte einbinden. Die online verfügbaren Ressourcen ermöglichen paläographische Lehre über das Internet, die über die vorhandenen Tafelwerke hinaus gehen.

Das Institut für Dokumentologie und Editorik (IDE) lädt zu Beiträgen für einen Sammelband ein, der im Sommer 2009 unter dem Titel "Kodikologie und Paläographie im digitalen Zeitalter" erscheinen soll. Darin sollen einerseits zukunftsweisende Forschungsarbeiten dokumentiert werden, die EDV-Technologien bereits erfolgreich auf Handschriften anwenden oder konkrete Vorstellungen entwickeln, wie solche Softwarelösungen aussehen könnten. Andererseits soll aber gerade auch die Nutzerperspektive eingenommen werden: Welchen Nutzen kann die kodikologische und paläographische Forschung aus den digital vorhandenen Ressourcen und den dazugehörigen Technologien ziehen? Es sind damit ausdrücklich Beiträge erwünscht, die mit Hilfe der existierenden Angebote Forschungsergebnisse erzielt haben, die mit den älteren Mitteln gar nicht oder nur unter unverhältnismäßigem Aufwand erreicht werden konnten. Schließlich soll ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen der digitalen Handschriftenforschung gegeben werden.

Themen des Sammelbandes können somit sein, sind aber nicht beschränkt auf:

  • Berichte über Handschriftenforschungen mit digitalen Ressourcen
  • Integration und statistische Auswertungen von Daten aus Handschriftenkatalogen
  • Paläographische Datenbanken (Schriftarten, Schreiber, Buchstaben)
  • Kodikologische Datenbanken (z.B. Wasserzeichen, Einbände)
  • (teil-) automatische Schrift- und Schreibererkennung
  • Digitale Transkriptionswerkzeuge
  • Visionen und Protoypen weiterer digitaler Werkzeuge
  • Paläographie in der Lehre

Weitere Vorschläge, die zur oben skizzierten Problemlage passen, sind darüber hinaus herzlich willkommen. Der Sammelband beruht deshalb auf einem offenen Call for Paper, mit dem den verstreuten und vereinzelten Initiativen und Aktivitäten computergestützter Handschriftenforschung eine gemeinsame Plattform geboten werden soll, die zum Ausgangspunkt für die weitere Diskussion werden kann. Beiträge können in deutscher, italienischer, englischer oder französischer Sprache eingereicht werden. Das Erscheinen des Bandes soll mit einem internationalen Symposium verbunden werden. Zu diesem möchte das IDE die Autoren der vier besten Beiträge einladen, Ihre Arbeit zu präsentieren.

Vorschläge sind mit einem Abstract (maximal 500 Wörter) bis zum 30. November 2008 einzureichen bei:

Institut für Dokumentologie und Editorik (IDE)
c/o Malte Rehbein
Moore Institute
National University of Ireland, Galway
E-Mail: malte.rehbein@nuigalway.ie

Das Institut für Dokumentologie und Editorik (IDE) ist ein Zusammenschluß von Forschern, die sich mit der Anwendung von digitalen Methoden auf historische Dokumente beschäftigen. Das Institut wurde 2006 gegründet. Seine Mitglieder arbeiten in wichtigen internationalen Forschungsprojekten mit. Das Institut versteht sich als Kristallisationspunkt für die Anwendung von IT-Technologien im Bereich der Editorik, d.h. die Wissenschaft vom Edieren, und der Dokumentologie, d.h. einer Wissenschaft vom historischen Dokument, die dieses als physisches Objekt ebenso wie als Textträger versteht. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, beteiligen sich die Mitglieder an einschlägigen aktuellen Diskussionen durch Rezensionen und wissenschaftliche Beiträge, organisieren Tagungen, beraten zukunftsweisende Projekte und schulen den wissenschaftlichen Nachwuchs.

Website: http://www.i-d-e.de

  • Publikationen